Clippings     

Hermann hatte den Paß vergessen
Herman forgot his passport

Die Borkener Zeitung, Ramsdorf, Germany, July 1956

Aus der Schau des vergangenen Jahrhunderts: Ramsdorf hat sich verdoppelt Zwei Deutschamerikaner besuchen ihre Heimat / Die Heidener Kirmes war Schuld Ramsdorfer Familie ist in Amerika größer als in Deutschland.

Ramsdorf.  Einen einmaligen Besuch beherbergte die alte Burgstadt in den vergangenen Tagen und Wochen, wie die Borkener Zeitung bereits berichtete. Zwei ihrer Söhne sind aus den USA über den großen Teich gekommen, um nach langen Jahren wieder einmal mit den Verwandten in ihrer urtümlichen Muttersprache "klönen" zu können. Bernard Christoph Nieland (82) und Hermann Frank Nieland (71), hatten eine kleine Luftveränderung notwendig, und so entschlossen sie sich kurzerhand zu einem Flug in ihre alte Heimat.

Die Familie Nieland ist weit verzweigt. Fünf Brüder und zwei Schwestern wuchsen auf dem Hofe Nieland in Ramsdorf-Bleking zum Ende des letzten Jahrhunderts auf. Alle konnten sie nicht auf dem Hofe bleiben. So faßte der älteste der Brüder, Heinrich Nieland 1892 den Entschluß, in -die neue Welt auszuwandern. Drei Jahre später folgte ihm der zweite der Brüder, Bernhard Christoph, und wie dieser seine Heimatstadt Ramsdorf verlassen -hat, .so haftete die Erinnerung an diese alte Stadt in seinem Gedächtnis.

61 Mal hat sich die Jahresuhr inzwischen herumgedreht. Das Bild der alten Stadt wie es dem Ausgewanderten vorschwebte wollte sich mit dem wirklichen Bild der Gegenwart nicht mehr vereinbaren lassen. Ramsdorf hat sich bedeutend modernisiert, hat sich in seiner Ausdehnung verdoppelt, und das heißt schon etwas!" sagte uns der 82 jährige in unverfälschtem Deutsch. Auch die "Ramsdorfer Mundart, beherrschte er noch wie selten ein Bürger unserer Stadt..

Mit dem 82-jährigen kam aber auch der dritte der Brüder Nieland über den "großen Teich", der elf Jahre jüngere Hermann Frank. Bei ihm war das Auswandern eine Sache des kurzen Entschlusses. "Es war während der Heidener Kirmes", erzählte er uns humorvoll. Verwandte aus den USA seien zu dieser Zeit (1910) in Ramsdorf zu Besuch gewesen, und sie rüsteten sich wieder zu Rückfahrt. Kurz entschlossen fuhr er damals einfach mit. Bei seinem Bruder arbeitete er neun Jahre lang als Knecht, bis er mit einer eigenen Farm begann. "Wer den Willen zum Arbeiten hat und wer dabei gesund ist, der kommt in den Staaten auch weiter" gab uns Hermann auf die Frage nach den Aussichten für Auswanderer zur Antwort.

Der dritte der drei ausgewanderten Brüder, der 84 jährige Heinrich Nieland ist in den Staaten zurückgeblieben während die beiden Brüder nach kurzer Verzögerung in Idlewild. dem Flughafen New Yorks, (Hermann hatte seinen Pass vergessen). Ein Maschine der Hölländischen Luftfahrtsgesellschaft KLM bestiegen. Der ältere der Brüder ging damit, obwohl er 61 Jahre im den Staaten lebte zum ersten Mal in seinem Leben an Bord eines Fluzeuges. Hermann war vor acht Jahren ein Jahr nachdem er die erste Post nach dem Kriege aus der Heimat erhalten hatte bereits in Ramsdorf gewesen.

Herman und Bernard Nieland, 1956
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Bernhard Nieland aus dem Staate Minnesota und Hermann aus Iowa -- sie wohnen "drüben" über 500 Kilometer auseinander entfernt -- wurden vor etwa vier Wochen von ihren vielen Angehörigen und Verwandten hier in Deutschland herzlich empfangen. Ihr erster Besuch nach Ramsdorf galt dem einzigen in Deutschland noch lebenden Bruder Josef in Osterfeld. Einladungen und Besuche ließen die Brüder kaum zur Ruhe kommen, "aber wir glauben, daß wir bis nächsten Montag doch noch rund kommen durch die ganze Verwandtschaft", erklärte schmunzelnd der 82 jährige Bernhard, und zog bedächtig an seiner langen Zigarre. Ueberall in der Verwandtschaft war das Erscheinen der "Amerikaner" ein großes Fest, auch in Ramsdorf. Bei allen Gelegenheiten erheiterten die Brüder durch ihren köstlichen Humor. Ein langes Gedicht trug Bernhard bei Tisch vor. Er hatte es vor der Jahrhundertwende in der Ramsdorfer Volksschule gelernt. Mit voller Stimme sang er alte deutsche Volkslieder vor. Für ihn ist Heimat und Muttersprache ein beständiger Wert geblieben, obwohl viele Bindungen zu seiner Geburtsstadt im Laufe des halben Jahrhunderts verloren gegangen sind.

An vielen Plätzen der Staaten wohnen heute Nielands. Allein Bernhard zählt 48 unmittelbare Nachkommen. Bei der Zusammenstellung eines Stammbaumes hat man festgestellt, daß es in den Staaten mehr Nielands gibt als in Deutschland. Hermann macht jedoch in dieser Familie ein Ausnahme. Er ist unverheiratet. "Die Mädchen waren alle gut zu mir. da konnte ich einfach keine vorziehen" meinte er lächelnd.

Am kommenden Montag sind die "schönen Tage" in Deutschland zu Ende. Die Brüder müssen wieder nach dem Rechten auf ihren Farmen sehen. Das alte Europa wird unter dem Flugzeug verschwinden. Ein herzliches "good bye" sagten uns die Brüder beim Abschied,. Und ein gleiches "good bye" soll sie unsererseits in ihre zweite Heimat begleiten.

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